Canumer Kirchstraße 9
Um die Eigentumsübertragungen in diesem Artikel besser verstehen zu können, ist es
hilfreich sich diese Skizze vor Augen zu halten.
In diesem Artikel geht es um den Bereich innerhalb der heutigen Straßen Osterstraße, Zur Post, Canumer Kirchstraße und Norder Straße. Auf der Skizze sind diese Straßen mit den Nummer 1, 8, 9 und 4 versehen.
Innerhalb des beschriebenen Gebietes stand früher ein Hof, dessen Wirtschaftsteil wahrscheinlich um 1891 abgebrochen wurde. Die Anlage des Hofes kann wiederum der Skizze entnommen werden. Der Wohnteil des Hofes begann direkt an der heutigen Canumer Kirchstraße, an den sich in Richtung der heutigen Osterstraße der Wirtschaftsteil anschloss.
Da nach dem Hypothekenbuch um 1750 zu diesem Hof 124 Grasen Land gehörten, dürfte hier um 1719 Dirk Eilers mit seiner Frau sowie 2 Knechten und 1 Magd gewohnt haben, weil in der Steuerliste 1719 in Canum nur ein Hof in exakt dieser Größe erwähnt wird. In dieser Steuerliste wird Dirk Eilers als Heuermann genannt. Damit war er nur Pächter des Hofes, nicht aber Eigentümer. Sein „Platz“ umfasste 124 Grasen, von denen infolge der Überflutungen nur 50 Grasen brauchbar waren. Im Kirchenbuch Canum, das erst 1729 beginnt, findet sich kein Hinweis zu dieser Familie. Ab 1727 lebte ein Dirk Eilers mit seiner Frau Tryntje Sibrants in Twixlum. Vielleicht handelt es sich um die gleichen Personen.
Ebenfalls in der Steuerliste 1719 wurde Jan Schwart als Eigner eines Hofes mit 124 ¼ Grasen Land genannt. Auch wenn die Größen der Höfe fast identisch sind, dürfte es sich um einen andern Hof handelt. Dennoch bleiben Unsicherheiten bei der hier angenommen
Zuordnung.
Gemäß dem erst um 1750 beginnenden Hypothekenbuch war das Anwesen zu dieser Zeit im Eigentum eines Bürgermeisters Andree, des Pastoren Swartte aus Norden und einer Frau Remmers, ebenfalls aus Norden, als Erben der Frau „Capitainin“ Andree.
Demnach dürfte der Hof von Diurco Andree, dem Kapitän der ständischen Truppen in Emden und seiner Frau Anna Swarte gekauft worden sein. Dieses Paar hatte 1724 geheiratet; der Ehemann verstarb bereits 3 Jahre später. Wahrscheinlich war die Ehe kinderlos geblieben. Erben waren die genannten Personen; der Emder Bürgermeister Diurco Andree, ein Neffe des Kapitäns Diurco Andree und der Pastor Johann Swarte, ein Bruder der Anna Swarte. Das Verwandtschaftsverhältnis der dritten Erbin, der Frau Remmers, konnte nicht ermittelt werden. Die Beschreibung des Besitzes lautet im Hypothekenbuch: „Herd Landes groß 124 Grasen nebst Behausung, Viehe-Hauß, Scheune und Kohlgarten so dann Sitz-Stellen in der Kirchen und Gräber auf dem Kirchhofe. Der Wert wurde auf 7000 Gulden taxiert.“
Dirk Edzen Aukes
Auffällig ist, dass im Gegensatz zu Schilderungen anderer Grundstücke im Hypothekenbuch in dieser Zeit keine angrenzenden Grundstück genannt werden. Möglicherweise kann man daraus schließen, dass der Hof um 1750 die gesamte von den Straßen mit heutigen Namen Osterstraße, Zur Post, Canumer Kirchstraße und Norder Straße umschlossene Gebiet innehatte.
Am 12. Dezember 1753 erfolgte durch eine öffentliche Versteigerung der Verkauf des Hofes an Hans Tonjes Brinkema und dessen Ehefrau Lamcke Egberts aus Emden für 4630 Gulden. Der darauf folgende Eigentümer war der Sohn dieses Paares Egbertus Hanssen Brinkema. Er war seit 1753 mit Christina Elisabeth Meiners, der Tochter des Emder Predigers Eduard Meiners, verheiratet. Da sämtliche Eigentümer dieses Anwesens bis 1767 nicht in Canum wohnten, muss der Hof in dieser Zeit verpachtet gewesen sein.
In einer Steuerliste um 1751/54 wird Poppe Daniels als Heuermann von „Pastor Swartten“ mit 124 Grasen aufgeführt. Er stammte aus Loquard und heiratete dort 1744 Steven Eilers, die aus Marienhafe stammte. Ab 1746 wohnte das Ehepaar in Canum.Hier wurden bis 1757 die Kinder Abbe, Daniel, Tomke, Meinke, Dirk, Eildert und Antie geboren. Danach verzog die Familie nach Woquard.
Vom nächsten Eigentümerwechsel hat sich der dazugehörige Kaufvertrag aus Emden vom 28. April 1767 erhalten (Staatsarchiv Aurich, Rep. 236, Nr. 486, S. 768 ff.). Egbertus Hanssen Brinkema, Kaufmann und Vierziger in Emden, verkaufte an Peter Janssen zu Canum und dessen Ehefrau Hebe Garrels seinen „ansehnlichen Heerd Landes, von Pastor Swart herrührend […] groß hundert vier und zwantzig Grase nebst
dem dazugehörigen Hause Scheune und Garten mitten im Dorfe gelegen“. Hinzu kamen weitere 3 ½ Grasen am Breiten Weg, die der Vater des Verkäufers von der Stadt Emden gekauft hatte, was die Gesamtgröße des Hofes auf 127,5 Grasen erweitert hatte. Der Kaufpreis betrug 6.350 Gulden. Er wurde vereinbarungsgemäß in drei Raten bezahlt. Im Mai 1767 3000 Gulden und per Mai 1768 1350 Gulden. Die Restschuld von 2000 holl. Gulden wurden gegen 4 % Zinsen als Darlehen genommen. Beim nächsten Verkauf des Hofes wurde dann diese Schuld beglichen.
Interessant sind die im Vertrag genannten Grenzen des Grundstücks: „...im Norden an Franz Hinrichs Erben, im Osten am Dorfweg, im Süden an den Garten der Schulmeisterei und an „dem Kirchpfade über der Borgstede“ und im Westen am Dorfweg „woselbst die Dorn-Hecke steht“. Auf der bereits mehrfach erwähnten Skizze ist Osten in Richtung Freepsum.
Demnach war Franz Hinrichs ein Vorbesitzer des Grundstückes Norder Str. 3 und die Schulmeisterei (heute Zur Post 3) stand bereits 1767 an diesem Ort. Auf dem Hof lasteten drei „Canones“ (Abgaben). An den König mussten 16 Gulden, an die Canumer Pastorei etwas mehr als 5 Gulden und an Wilke Albers in Upleward 9 Gulden sowie eine Gebühr beim jeweiligen Besitzerwechsel gezahlt werden. Außerdem erhielt die Canumer Gemeinde wegen der „Borgstee“ 12 Stüber jährlich.
Möglicherweise war Peter Janssen vorher schon Pächter auf diesem Hof. Er kam bereits um 1758 mit seiner Familie aus Weenermoor nach Canum. Dort, d.h. in Weenermoor, hatte er 1743 Hebe Garrelts geheiratet und dort wurden auch die folgenden Kinder geboren: Jan, Aaltje, Garrelty, Jantje (Jannetie) (gest. 1770), Geeske, Grietje und Jakob. Weitere Kinder kamen ab 1759 in Canum zur Welt: Eildert (gest. als Kleinkind), Doodje (gest. als Kleinkind), Doodie und Eildert. Die Kinder führten später den Familiennamen Sparringa. Lange konnte sich Peter Janssen seines Besitzes nicht erfreuen, bereits am 12. Dezember 1775 verstarb er an einer Fieberkrankheit im Alter von 59 Jahren. Nur 9 Tage später erlag auch seine Frau einer Wassersucht. Sie wurde 52 Jahre alt und mit ihrem Ehemann am 26. Dezember beerdigt.
Weert Samuels à Tellinghuisen und Dirk Edzen Aukes | ca. 1920
Im März des darauffolgenden Jahres wurde der Hof dann erneut verkauft. Als Verkäufer
fungierten die erwachsenen Kinder des Peter Janssen sowie Ihne Nannen und Harm Siebrands als Vormünder der jüngeren Kinder. Der Wert des Anwesens wurde auf 16.750 Gulden taxiert.
Die Beschreibung lautete jetzt: „Bestehet die schöne Behausung, welche vor einigen Jahren neu gebaut ist, aus einer Küche, Kammer, Keller, Waschhaus, Regenwaßers Backe, Scheune und genugsame Stallungen für Vieh, alles regelmäßig eingerichtet, wozu gehöret ein großer Obst und Küchen Garten, worunter mit begriffen den Grund so anstat der Burgstellen hieran gezogen“.
Als Grenzen werden genannt: im Osten, Norden und Westen an den „Loges Weg“, im Süden an die Burgstelle und Meisterei Grund.“ Daraus dürfte zu schließen sein, dass das Grundstück Norder Straße 3 (Ecke Canumer Kirchstraße und Norder Straße) jetzt Bestandteil dieses Anwesens war und das die „Burgstelle“ nicht mehr zum Hof gehörte.
Am 28. März 1776 ersteigerte Claas Geelts den Hof für 17.150 Gulden. Er stammte aus Pilsum und war unverheiratet. Möglicherweise lebte er mit seiner ebenfalls unverheirateteten Schwester Grietie Geelts zusammen, die bereits 1783 in Canum verstarb. Zwei Jahre später wurde auch ihr Bruder begraben. Er wurde 56 Jahre alt.
Gemäß seinem Testament vom 21. August 1784 erbten mit Geelt, Freerk und Antje Sypkes die Kinder seines Bruders Sypke Geelts den Besitz.
Sypke Geelts hatte 1773 in Pilsum Hilke Freerks Habben (geboren in Loquard) geheiratet. Bis um 1779 lebte die Familie in Pilsum, später in Visquard. Hier verstarb Sypke Geelts im Jahre 1782. Seine Witwe scheint danach mit ihren Kindern nach Canum (zu ihrem Schwager?) gekommen zu sein. Hilke Habben heiratete 1787 in zweiter Ehe Peter Harms (siehe Canumer Kirchstraße 12). Der Sohn Freerk Habben Sypkes wohnte mit seiner Familie im Mühlenring 5/7. Sein Bruder Geelt Habben Sypkes (Siepkes) heiratete 1815 in Pewsum Elske Betten. Die Familie lebte möglicherweise im Hamrich zwischen Canum und Pewsum. Das Paar hatte zwei Töchter, von denen Antje mit gut 2 Jahren verstarb. Die andere Tochter Hilke Geelts Sypkes lebte später auf einem Hof im Canumer Hamrich.
Unklar bleibt, wer den Hof nach dem Tode des Sypke Geelts bewirtschaftet hat. Erst ab 1818 wohnte Garrelt Arends van Hettinga mit seiner Familie in Canum. Er stammte aus Larrelt und hatte 1803 in Larrelt Antje Habben Sypkes, die Nichte und Miterbin von Claas Geelts, geheiratet. Das Paar wohnte zunächst in Larrelt und Wybelsum. Dort wurden 8 Kinder geboren, zwei Kinder verstarben im Kleinkind-Alter und drei Söhne wurden tot geboren oder starben am Tage der Geburt. Mit den Söhnen Siepke, Geelt und Arend kam die Familie nach Canum. Hier kam das letzte Kind dieser Ehe - Albert - 1818 zur Welt, aber auch er starb vor Erreichung des 3. Lebensjahres. Sieben Jahre später wurde Antje Habben Sypkes zu Grabe getragen. Sie wurde nur knapp 43 Jahre alt. Das
Kirchenbuch nennt als Todesursache „Teering“ (Auszehrung). Im Jahre 1832 erlag dann der Sohn Geelt im Alter von 20 Jahren der Schwindsucht. Garrelt Arends van Hettinga war gemäß dem Kirchenbuch Canum „Huisman, Landbesitzer und Kirchvogt“. Er wurde 1851 in Canum beerdigt. Seine beiden Söhne lebten als Erwachsene nicht in Canum. Siepke heiratete 1838 in Hamswehrum Antje Smid und Arend schloss 1833 in Pilsum eine Ehe mit Tetje Rieken Lucassen.
Die Eigentumsverhältnisse in den nächsten Jahren konnten noch nicht ermittelt werden. Nach dem Brandkassen-Register scheint der Herzog v. Arenberg vor 1878 den Hof gekauft zu haben. Im Register des Katasteramtes fehlt diese Angabe hingegen. Dort werden 1872 die Erben des Landwirts Samuel Tellinghuisen als Eigentümer genannt. Diese Erben werden in den Unterlagen der Brandkasse erst ab 1884 als Besitzer aufgeführt. Samuel à Tellinghuisen war Eigentümer des mittleren Hofes in der Norder Straße. Er hinterließ bei seinem Tod im Jahre 1863 seine Witwe Juste Nannen Sypkes und eine Tochter namens Elizabeth sowie einen Sohn namens Weert (Wyert) Samuels à Tellinghuisen
Weert wird im Kirchenbuch Canum als Landwirt bezeichnet, demnach dürfte er diesen Hof bewirtschaftet haben. Er wurde 1842 geboren und heiratete mit 30 Jahren Nikolasina Albertina Cornelia Knottnerus, eine Tochter des Borkumer Pastoren Wesselius Knottnerus. Dem Paar wurden ab 1873 in Canum vier Kinder geboren, die sehr klangvolle Namen erhielten: Justine Louise Adelaide, Wiard Nicolaus Albert, Johanna Victoria Elizabeth und Diedrich Georg Franz. Nach der Geburt des letzten Kindes verzog die Familie nach Groothusen. Hier kam 1883 noch eine Tochter Georgina zur Welt. Im Jahre 1887 verstarb die Mutter der Kinder. Der Vater wanderte später mit seinen Kindern in die USA aus. Dort verheirateten sich zwei seiner Kinder mit den Kindern des ebenfalls aus Canum stammenden Dirk Edzen Aukes (siehe Mühlenring 5 und 7 und der Rubrik Auswanderer).
Die nächste Bewohnerin des Hofes dürfte Elizabeth, die Schwester von Weert à Tellinghuisen gewesen sein. Sie heiratete 1865 in Canum den aus Visquard stammenden Schullehrer Albert Wilken Dirksen. Das Paar zog nach Manslagt, dort kamen vier Kinder zur Welt: Justine Elise, Gretha Wilhelmine Herlyn, Wilhelmine Ernestine und Albert Wiard Ernst.
Nach nur 13-jähriger Ehe wurde Albert Dirksen im Jahre 1878 in Manslagt beerdigt. Danach scheint Elizabeth mit ihren Kindern nach Canum zurückgekehrt zu sein. Sowohl in den Registern des Katasteramtes als auch in den Listen der Brandkasse wird die Witwe Elisabeth Dirksen geb. à Tellinghuisen als Eigentümerin genannt.
Nach den Aufzeichnungen der Brandkasse wurde der Scheunenteil des Hofes vor 1892 abgebrochen, so dass nur das Wohnhaus stehen blieb. Elisabeth Dirksen war 70 Jahre alt, als sie 1916 in Canum begraben wurde. Ihre Tochter Gretha Wilhelmine Herlyn Dirksen heiratete 1887 den Schullehrer Boye Christian Müller und lebte danach in Logumer Vorwerk. Deren Bruder Albert wurde Schullehrer in Emden. Er schloss 1900 in Oldendorp eine Ehe mit Swanette Rudolfine Dreesmann. Justine Elise Dirksen starb 1923 und ihre Schwester Wilhelmine Ernestine Dirksen 1950 in Canum. Beide waren unverheiratet.